Für Autofahrer brechen also eher ungemütliche Zeiten an. Wohl jede sinnvolle Neujustierung der Straßenverkehrsordnung wäre auf Kosten der Autofahrer gegangen, weil sie bisher die bevorzugten Verkehrsteilnehmer sind. Das ist im 21. Jahrhundert aber nicht mehr zeitgemäß, wo die Menschen einen Mix aus verschiedenen Verkehrsmitteln nutzen. Das Kabinett und der Bundesrat sollten Scheuers Entwurf nun schnell durchwinken. Sollten sich einzelne Maßnahmen als nicht praktikabel erweisen, kann man sie immer noch ändern.¹
Verkehrsminister Scheuer ändert die Straßenverkehrsordnung zu Gunsten von Fahrradfahrern und zu Ungunsten der Autofahrer. Für einen Minister der CSU, die über viele Jahre dem Straßenverkehr und den Autofahrern den Vorzug gegeben hat, ist das ein bemerkenswerter Schritt. Die bayerische Partei und Scheuer werden ein bisschen ökologischer und klimaschutzbewusster.
Fahrradfahrern in Städten das Leben zu erleichtern, macht ökologisch Sinn und ist auch aus Sicherheitsgründen überfällig. Autos, die auf Radwegen oder in zweiter Reihe parken, sind im engen Stadtraum ärgerliche Hindernisse. Keinen Sinn macht dagegen Scheuers Plan, die bereits gut ausgelasteten Busspuren auch für E-Tretrollerfahrer oder für Pkw mit drei oder mehr Insassen freizugeben. Das führt nur zu neuem Verkehrschaos und behindert Radfahrer. Und vor allem: Wer soll das kontrollieren?
Fußgänger und Radfahrer sollen künftig innerorts nur noch mit einem Mindestabstand von 1,5 Metern überholt werden dürfen, außerorts mit zwei Metern. Auch das kann den Verkehr sicherer machen. Kann, muss aber nicht. Denn viel wird davon abhängen, ob Strafen auch geahndet werden. Deshalb braucht es mehr Verkehrspolizisten, vor allem auf dem Fahrrad. Und die Fahrradlobby muss eingestehen, dass sich auch zu viele Radfahrer nicht an Regeln halten, dass sie durch anarchistisches Verhalten andere und sich gefährden. Auch für Fahrradfahrer muss es daher härtere Strafen geben, wenn sie sich unfair verhalten.
Wichtig ist auch das höhere Bußgeld gegen Gaffer bei Verkehrsunfällen. Unerträglich ist, dass Autofahrer die Rettungskräfte behindern, weil sie anhalten, filmen und gaffen. Wer keine Rettungsgasse bildet, muss härter bestraft werden. Da sind die geplanten 320 Euro Bußgeld fast schon zu wenig.²
Es muss wehtun, richtig wehtun. Nur dann werden sich diejenigen Autofahrer, die auf Regeln pfeifen, besinnen. Derzeit wird auf Deutschlands Straßen übler gefahren denn je. Das Rowdytum nimmt zu; das sieht jeder, der einige zehntausend Kilometer pro Jahr auf Achse ist. Dass es weniger Tote gibt, ist nur der verbesserten Sicherheitstechnologie der Fahrzeuge zu verdanken. Und auch, wenn manche das partout nicht hören wollen: So richtig weh tut es dem deutschen Autofahrer nur, wenn „der Lappen weg“ ist. Regeln zu schaffen, die dies öfter vorsehen - davor scheut Scheuer, der CSU-Verkehrsminister, denn doch zurück. Gleichwohl wäre es richtig und nötig, weil darin die einzige Chance besteht, sture Rechtsbrecher zu zähmen. Besonders mutig sind Scheuers neue Pläne also nicht.
Weil die Maut-Sache, die sich der Minister zu eigen gemacht hatte, gerade mit Karacho an die Wand gefahren ist, versucht er vor allem, publikumswirksam ökologisch zu punkten. Jedoch: Dass er Busspuren für Pkw mit mehr als drei Passagieren freigeben will, ist keine gute Idee;Busspuren für Elektro-Tretroller zu öffnen, wäre sogar unverantwortlich und grober Unfug. Höheres Bußgeld für Rettungsgassen-Rüpel ist in Ordnung; noch viel höheres Bußgeld für Gaffer wäre noch besser. Dass Scheuer Fahrradfahrer schützen will, ist schön; noch schöner wäre es aber, wenn die sich auch selbst schützen und Helme tragen müssten. Das Gegen-Scheinargument, wegen gefährdeter Frisuren würden dann weniger Leute Fahrrad fahren, ist an Lächerlichkeit nicht zu überbieten.³
¹Mitteldeutsche Zeitung ²Birgit Marschall - Rheinische Post ³Reinhard Breidenbach - Allgemeine Zeitung Mainz
Hat ER jemals schon etwas richtig gemacht?