Der durchschnittliche Strompreis für Verbraucher hat im Juli 2019 erneut ein Rekordhoch erreicht. 5.000 kWh kosteten im Schnitt 1.473 Euro.
Das entspricht einem nominalen Anstieg von 50 Prozent seit Juli 2007. Vor zwölf Jahren zahlten Endkunden für dieselbe Menge Strom noch durchschnittlich 981 Euro.
„Der Strompreis jagt von einem Rekord zum nächsten“, sagt Lasse Schmid, Geschäftsführer Energie bei CHECK24. „Jeden Monat wird Strom für Verbraucher ein bisschen teurer. Ein Ende der Fahnenstange ist nicht in Sicht.“
Zeitgleich mit dem Rekordpreis für Strom hat auch der Anteil der erneuerbaren Energien am Strommix in Deutschland ein Hoch erreicht.* Im ersten Halbjahr 2019 wurde in Summe erstmals mehr Strom aus Solar, Wind, Wasser und Biomasse produziert als aus Kohle- und Atomkraft.
Die Energiewende macht sich beim Strompreis für Endkunden deutlich bemerkbar. Für Entlastung könnte der Gesetzgeber sorgen. Aktuell wird von Beratern des Wirtschaftsministers eine grundlegende Reform der Steuern und Abgaben auf Energie gefordert.** Mehrwert- und Stromsteuer machen derzeit fast ein Viertel des Strompreises aus.
„Ein reduzierter Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent wie bei Nahrungsmitteln und eine Senkung der Stromsteuer würde Strom für Endkunden spürbar günstiger machen“, sagt Lasse Schmid von CHECK24. „Aktuell hilft aber nur, Preise zu vergleichen. Durch einen Wechsel des Stromanbieters spart eine Familie im Schnitt etwa 200 Euro im Jahr.¹
Langjähriger Chef des UN-Umweltprogramms: Deutsches Energiesteuersystem ist weitgehend klimablind entstanden - Afrika ist „blinder Fleck“ in Klimapolitik
In der Union häufen sich die Forderungen, den Klimaschutz durch eine Steuerreform voranzutreiben. Klaus Töpfer (CDU), früherer Bundesumweltminister und langjähriger Chef des UN-Umweltprogramms, sagte im Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Das ganze Energiesteuersystem ist über die Zeit weitgehend klimablind entstanden. Das muss sich dringend ändern.“ Einer seiner Vorschläge: eine Senkung der Stromsteuern.
Töpfer betonte, die Deutschen zahlten schon jetzt 60 Milliarden Euro Energiesteuern im Jahr. Vieles, was da geschehe, sei aus Sicht des Klimaschutzes allerdings kontraproduktiv. „So haben wir hohe Stromsteuern als Folge der Investitionen in erneuerbare Energien.“ Dieser Strom sei aber Träger der Klimapolitik, seine Nutzung müsse deshalb begünstigt werden: „Die auf den Strom gezahlten Steuern müssen sinken, andere entsprechend steigen.“
Nach den Worten von Töpfer muss auch dringend entschieden werden, wie die Differenzierung der Mehrwertsteuer klimawirksam gestaltet werden kann. So sollte seiner Ansicht nach für Bahntickets der niedrigere Mehrwertsteuersatz von sieben statt 19 Prozent gelten.
Bei den Parteien sieht Töpfer beim Thema Klimaschutz „noch Luft nach oben“. Da könne und dürfe man noch lange nicht zufrieden sein, „weder mit der Union noch mit anderen Parteien“. Er forderte: „Wir müssen die politischen Prioritäten verändern, unser Denken neu ausrichten. Es gibt keinen Gegensatz zwischen Wirtschaft und Umwelt. Wirtschaftspolitik ohne Berücksichtigung der Umweltwirkung ist schlechte Wirtschaftspolitik.“
Töpfer drängte zudem auf mehr Unterstützung für Afrika, wo „schon bald“ zwei Milliarden Menschen leben würden. Auch um Fluchtursachen zu bekämpfen, brauche der Kontinent dringend wirtschaftliche Entwicklung. Und die dafür benötigte Energie müsse möglichst klimagerecht produziert werden, um den Klimawandel nicht noch weiter voranzutreiben. Töpfer: „Hier liegen zentrale Aufgaben für technologisch führende Staaten wie Deutschland. Und doch ist dies ein blinder Fleck in unserer Klimapolitik.“
Erst am Wochenende hatte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer vorgeschlagen, den Klimaschutz über eine Steuerreform voranzutreiben. Sie betonte: „Wir haben nicht zu wenig Steuern, aber wir haben zu wenig Steuerung.“ Kramp-Karrenbauer regte unter anderem eine Abwrackprämie für Ölheizungen an.²
¹CHECK24 GmbH ²Neue Osnabrücker Zeitung